Eine „Malstunde“ nach römischer Tradition

Beate Wyglenda | Xanten | 6. Mai 2013

Beim ersten Römischen Wochenende der Saison luden im Archäologischen Park Xanten vier Handwerker zum Mitmachen ein. Auch Erwachsene versuchten sich selbst an Feile und Pinsel.

Beim ersten Römischen Wochenende der Saison luden im Archäologischen Park Xanten (APX) gleich vier Handwerker zum Mitmachen ein. Neben den altbekannten und beliebten römischen Schuhmacher und Knochenschnitzer zeigten diesmal auch ein Töpfer sowie ein Farbenhersteller und Maler ihre Fertigkeiten. So konnten die Besucher im APX die römische Lebensweise nicht nur besichtigen, sondern auch hautnah miterleben.

Die fünfjährige Julia etwa hatte besonders viel Spaß beim Malen mit Naturfarben. „Das war toll. Ich male sowieso gerne und diese Farben lösen sich ganz schnell im Wasser auf“, erzählte sie vergnügt. Als Motiv zum Ausmalen hat sich das Mädchen aus Rees die römische Siegesgöttin Victoria ausgesucht. Doch auch die Herstellungsweise der Farben fand die Fünfjährige spannend.

Farbenhersteller und Maler Jan Hochbruck zeigte Julia anfangs die unterschiedlichen Naturmaterialien, aus denen die Farbe gewonnen wird. „Die Römer verwendeten vor allem mineralische Farben, zum Beispiel Ocker für Goldgelb oder Kupfer mit Natron für das ägyptische Blau“, erklärte der Experte. Die mineralhaltigen Steine wurden dann so lange gerieben, bis sie ein feines Pulver ergaben. Vermischt mit Bindemitteln etwa Wachs, Leim oder Tempera, bestehend aus Ei, Leinöl und Wasser, konnte man die Farbpaste auf Holz, Bauwerke und sogar Kleidung auftragen.

Auch Julia hat sich am Mörser versucht. „Das ist etwas ganz anderes als zu Hause. Ich fände es toll, meine Farben selbst zu machen“, sagte das Mädchen. Ihre Mutter, Christina Heckner, ergänzte: „Die Aktionen zum Mitmachen sind ein tolles Angebot des APX. So bekommen die Kinder einen guten Einblick, wie die Römer gelebt und gearbeitet haben und können die Art und Weise gleich selbst ausprobieren. Wo lernt man heute sonst noch, wie Farben einst hergestellt, Schuhe beschlagen oder Knochen geschnitzt wurden?“ Überhaupt findet die Besucherin aus Rees die Antike sehr interessant. „Es ist faszinierend wie zivilisiert die Römer waren, welchen Fortschritt es damals gab und wie viel Wissen letztlich verloren gegangen ist“, erklärte die junge Frau. Deshalb wollte sie sich auch selbst an den Handwerkskünsten versuchen.

„Es gibt viele Erwachsene, die bei uns zur Feile greifen“, bestätigte Knochenschnitzerin Astrid Dingeldey. Aus dem gut zu verarbeitenden Material, zumeist aus den Mittelfußknochen vom Rind oder Pferd, wurden hochwertige Produkte hergestellt. „Hier feilen wir vor allem Näh- und Haarnadeln, die in etwa 20 Minuten fertig sind. Die Römer aber fertigten auch Spielsteine, Würfel bis hin zu aufwendigen Schatullen aus dem Material“, lehrte die Fachfrau.

Bei Schuhmacher Kurt Rose konnten sich Interessierte Lederschlüsselanhänger in Schuhform mit so genannten Punzen verzieren. Dabei wurden die Punzen mit einem Hammer ins Leder geschlagen, so dass das jeweilige Motiv eingestanzt wurde.

Bei Töpfer Michael Bours-Bergau durften Miniatur-Theatermasken aus Ton modelliert werden, während der Profi an römischen beweglichen Puppen arbeitete.

Quelle: RP

Gundolf Precht, Patrick Jung und Martin Müller (von links) präsentierten gestern zwei neue Bände der Reihe "Xantener Berichte". FOTO: armin fischer

APX stellt neue Bücher über das römische Xanten vor

Xanten. Wie sah es im „römischen Xanten“ aus, bevor um das Jahr 100 herum die Colonia Ulpia Trajana gegründet wurde? Erkenntnisse dazu liefert der Band 25 der „Xantener Berichte“, der gestern im Römermuseum vorgestellt wurde. Von Josef Pogorzalek

Verfasst wurde das Buch von Gundolf Precht, dem 2002 aus dem Amt geschiedenen langjährigen Leiter des Archäologischen Parks Xanten (APX). Precht hat in zehnjähriger Arbeit Untersuchungen der „Capitolinsula“ ausgewertet, des Quartiers der Römischen Stadt, auf dem in den Jahren 136/38 der wichtigste Tempel erbaut wurde. Das Gebäude wirkte, so der Autor gestern, wie eine Versiegelung der darunter liegenden Bodenschichten. In diesen gibt es Spuren (so ein für die Region ungewöhnliches „Langbettengrab“), die in die Bronzezeit (2200 bis 800 vor Christus) zurückreichen. Laut Precht gab es dann im ersten Jahrhundert nach Christus auf der späteren Capitol-Insula eine römische Siedlung, die zunächst durch ein verheerendes Rhein-Hochwasser und dann durch einen Brand zerstört wurde.
Ein weiteres Feuer legten die Siedler wohl selbst während des Bataveraufstands im Jahr 70: Die Menschen flüchteten in das Militärlager auf dem Fürstenberg und wollten nicht, dass ihre Häuser dem Feind in die Hände fallen. Auch für die Zeit nach dem Bataveraufstand bis zur Colonia-Gründung belegt Precht eine Besiedlung, die so bislang nicht bekannt war.
Unglaubliche Details fördert die Archäologie anhand von Bodenuntersuchen zutage. So weiß Precht von einem Haus zu berichten, dass aufgrund von Konstruktionsmängeln (das Holzgerüst faulte im feuchten Boden) wie ein Kartenhaus zusammengefallen sein müsse. „Es kann höchstens zehn Jahre gestanden haben.“ Dass Neubauten exakt auf den Parzellen der alten Häuser entstanden, zeige, dass es ein „Ordnungsamt“ gegeben habe, das eine planvolle Entwicklung der Siedlung steuerte.

Als einen Meilenstein der Forschung wertete APX-Leiter Martin Müller gestern Prechts Arbeit. Er zeigte sich sicher, dass der ebenfalls vorgestellte Band 26 der „Xantener Berichte“ das Interesse der internationalen Fachwelt erregen wird. Patrick Jung, ehemals im APX und jetzt am Ruhrmuseum Essen (Zeche Zollverein) tätig, hat sämtliche 2000 Funde aus Bein (bearbeiteter Knochen) aus der Colonia katalogisiert. In Zusammenarbeit mit Drechselmeisterin Astrid Dingeldey (Besuchern der Römischen Wochenenden im APX als Knochenschnitzerin bekannt) hat er die Technik der Herstellung der Haarnadeln, Spielsteine, Messergriffe und anderer beinerner Gebrauchsgegenstände untersucht. Der Kölner Spezialist Hubert Berke steuerte die Bestimmung des Materials bei: größtenteils Rinderknochen, zu acht Prozent Rothirsch-Geweih, zu zwei Prozent Elfenbein von Elefanten. Knochenschnitzer betrieben auch im römischen Xanten ihre Werkstätten. Das Arbeitsmaterial fiel als Schlachtabfall reichlich an und war beliebt – so etwas wie das „Plastik der Antike“.
Die Reihe „Xantener Berichte“ richtet sich an ein Fachpublikum. Sie erscheint im Verlag Philipp von Zabern Darmstadt/Mainz. Band 25, „Die Capitolinsula der Colonia Ulpia Traiana“ (ein Doppelband im Schuber mit Texten und Beilagen) kostet 129 Euro. Band 26, „Die römischen Beinartefakte aus dem Gebiet der Colonia Ulpia Traiana“, ist zum Preis von 75 Euro erhältlich.
Quelle: RP